Ein Junge namens Montag V

Alles blieb in Montag stehen, als er sie wiedersah. Sie saß in einem Vorgarten zwischen vielen herbstlich anmutenden Blumen auf einer Schaukel und wippte vor sich hin. Entdeckt hatte Sie Montag nicht. Sie war so wunderschön auf das er sich nur schwerlich aus seiner faszinierten Starre lösen konnte und vorsichtigen Schrittes zum Gartenzaun schlich. Leise räusperte er sich und nahm seinen Mut zusammen. „Hallo schöne Dame“. Das Mädchen drehte sich um. Nicht erschrocken, aber überrascht von dem Umstand und der bekannten Stimme. „Hallo. Wie hast du mich gefunden?“ „Ich habe nach dir gesucht!“ „Oh.“ Längeres Schweigen. Dann hüpfte das Mädchen von der Schaukel und öffnete eine Gartentür. „Komm rein. Musst doch nicht draußen stehen.“ „Danke.“. „Komm mit. Ich will dir etwas zeigen“ sprach sie plötzlich aufgeregt, griff mal wieder nach seiner Hand und zog ihn um die Häuserwand herum. Ihre Hand war so warm und so weich, so wie es ihm im Herzen und den Knien wurde. Am Ziel angekommen stand eine Schaukelbank. Alt, aber nicht morsch, sodass sie problemlos Platz drauf fanden. Ihr Blick schweifte über die Berge und Täler, den aufsteigenden Nebel und die Wolkenherden um die Spitzen. Es roch nach nassem Gras und erster Winterluft. Montag blickte hin und wieder nach links, um einen Blick in das Gesicht zu erhaschen. Ertappt drehte sie den Kopf: „Ich weiß das du mich magst. Und ich mag dich auch. Aber eine Sache musst du mir noch erklären: Warum heißt du Montag?“ Er schluckte und schwieg, aber fing dann langsam an zu sprechen: „Als ich losgegangen bin, da wusste ich nicht so wirklich wo es hin gehen soll auf dieser Reise. Es war schon alles etwas merkwürdig auf dem Weg und in meinem Kopf von Anfang an. Aber eine Sache wusste ich, nämlich dass ich nicht einfach nur irgendein Junge bin. All die wundersamen Dinge meiner Reise sind wie ich. Und so schlecht zu verstehen. Keine Ahnung wer ich bin. Ich bin halt eher wie so ein Anfang, auf den keiner gewartet hat, eben halt wie so ein Montag.“

Ein Junge namens Montag IV

Enttäuscht schien Doktor Werner irgendwie schon, als Montag ihm offenbarte, dass er heute weiterreisen würde. Er ließ es sich nicht anmerken und fuchtelte an der Pfanne herum die mit Spiegeleiern versehen auf dem Feuer lag. Aber Montag hatte es sofort erkannt als Doktor Werner länger nicht an der Pfeife zog, die in seiner Schnauze steckte.  Er blickte ins Feuer. Wahrscheinlich hatte er das Gefühl einen nur durchschnittlichen Job gemacht zu haben und Montag wusste insgeheim auch, dass es so war. Aber böse konnte er ihm irgendwie nicht sein. Vielleicht war er einfach genauso enttäuscht über alles. Mit einem geschickten Griff beförderte Doktor Werner die Spiegeleier auf zwei großen Tellern und hielt wortlos Montag einen hin. Er griff hin mit einem leisen „Danke“ und fing an das Gemisch aus Eiern, Brot und Speck zu essen. Es schmeckte erstaunlich gut. Schließlich rang sich Doktor Werner durch doch etwas zu sagen: „Du willst immer noch nach dem Mädchen suchen?“. Montag nickte. „Ja, das verstehe ich. Wenn ich dir einen Tipp geben darf..“ er schaute vielsagend um sich „dann geh links den kleinen Trampelpfad entlang. Dort kommst du nach Heimathausen. Ist nur ein kleines Dörfchen. Aber vielleicht wirst du ja dort nach dem Mädchen fündig.“ Montags Augen hellten sich etwas auf und er nickte freudig. In ihm zappelte es bereits wie der Vogelschwarm, der sich über ihren Köpfchen Richtung Süden bewegte. Aber er wollte auch nicht unhöflich sein und sofort aufbrechen. Nach dem gemeinsamen Frühstück kramte er eine Sachen zusammen, schwang seinen Schal um den Hals und stellte sich vor Doktor Werner auf. In guter Manier hielt er seine Hand hin und schüttelte Doktor Werners Pfote. „Vielen Dank Doktor Werner. Es war mir ein Vergnügen. Ich hoffe wir sehen uns bald mal wieder!“. Doktor Werner lächelte durch die Pfeife. „Gerne mein großer Freund. Mein Baum ist dir stets willkommen!“ Montag stapfte los in Richtung des Pfades als ihn die Stimme von Doktor Werner umdrehen ließ: „Mein großer Freund. Eine Frage habe ich noch: Wie heißt das Mädchen, dass du suchst?“ „Ihr Name ist Sonntag“ lächelte er, drehte sich um und ging in die aufgehende Sonne. [Fortsetzung folgt]

Ein Junge namens Montag III

Es knisterte und knackte im Schein des kleinen Lagerfeuers. Montag hatte die Beine angezogen, um sich noch mehr zu wärmen, aber die Wärme tat gut. Es roch nach warmen Tee aus der kleinen Kanne und Pfeife. Der Hase hatte sich als Doktor Werner vorgestellt. Montag wusste nicht ob er tatsächlich ein Doktor war oder Werner hieß. Er glaubte ihm fürs Erste. Doktor Werner redete zwar oft mit rauer Stimme und in ruppigem Tonfall, aber zugleich sprach er eben genau so wie man es von einem Hasen erwarten würde. Das machte ihn weniger unheimlich. Insgesamt wurde jedoch wenig gesprochen. Doktor Werner hatte gefragt woher Montag denn so komme und was er so im Wald triebe. Aber Montag war nicht so sehr nach reden. Er fühlte sich selbst wie der Wald in dem kalte Luft wehte und nur noch ein kleines Feuerchen brannte. Er atmete tief durch. „Ich habe ein Mädchen getroffen“. „Ein Mädchen, soso“. „Ja, sie war sehr nett und sehr hübsch. Wir hatten viel Spaß zusammen.“ „Und wo ist sie jetzt?“ „Das weiß ich nicht“. Schweigen. Nach längerer Weile flüstert Doktor Werner in die Stille „Haste vor sie zu suchen?“. Schulterzucken. Wieder Schweigen. Doktor Werner erhob sich irgendwann, schmatzte an seiner Pfeife und wünschte eine gute Nacht. Bevor Montag etwas antworten konnte war er in seinen Hausbaum gesprungen. Er atmete tief durch. Dann zog er die Decke vor, verkroch sich unter ihr und schaute dem Tanzen der Glut zu. [Fortsetzung folgt]

Ein Junge namens Montag II

Der Abend dimmte die Sonne. Es schickte sich an Dunkel zu werden als die Lichtung in einem heillosen Blätterchaos vollends untergegangen war. Nicht mehr lange und die Lichter der Dörfer würden angehen. Montag war noch völlig außer Atem, als das Mädchen in den Himmel blickte und sprach „Oh so spät schon? Ich muss los. Es war schön mit dir gespielt zu haben“. Und mit einem kurzen „Bis Bald“ verschwand sie ebenso schnell wie sie vor Stunden noch aufgetaucht war. Montag starrte ihr hinterher. Sein Blick wurde jäh von seinem aufsteigendem Atem unterbrochen, welcher ihm signalisierte, dass es mittlerweile recht kalt geworden war. Er wandte sich seinem Koffer zu, öffnete ihn vorsichtig und griff zielgerichtet ein paar kleine Handschuhe. Dann verschloss er den Koffer wieder und machte sich auf den Weg. Wohin? Wusste er noch nicht genau. Am liebsten wäre er dem Mädchen hinterhergegangen. Sie war so nett gewesen. Er stapfte über Moos, Unterholz und Laub und verlor sich nicht nur in seinen Gedanken, sondern ebenso im dunkel gewordenen Wald. Bis er sich frierend auf einem dicken Baumstamm sitzend widerfand. Weinen konnte er nicht. Er wusste: Das hat er sich ganz allein eingebrockt. Aber glücklich war er auch nicht gerade über die klirrende Kälte und die Geräusche des Waldes. Er versuchte ruhig zu atmen als ihn eine kleine, aber raue Stimme von hinten ansprach: „Entschuldigen Sie bitte, aber sie sitzen auf meiner Haustür!“. Hektisch sprang Montag auf und drehte sich um. „Oh das tut mi….“. Er hielt inne als er den zauseligen Hasen sah der auf der anderen Seite des Baumstammes stand. „Das tut mir leid“ fasste er sich. Der Hase nickte wohlwollend und griff in seine Hosentasche. Wahrscheinlich suchte er seinen Haustürschlüssel. „Was machst du hier? Musst du nicht nach Hause?“ Montag nickte und gleich darauf schüttelte er den Kopf. „Ich kann nicht nach Hause“ seufzte er. Der Hase nickte als würde er es verstehen während er die kleine Tür im Baumstamm öffnete. „Schönen Abend noch“ sprach er und die kleine Tür viel zu. Montag seufzte erneut. Da sprang die kleine Tür urplötzlich auf, der Hase erschien wieder und zog eine Plane mit aller Gewalt heraus. „Ich kann dir anbieten unter der Plane zu schlafen“ keuchte er als er sie vollständig hervorgezogen hatte. „Und außerdem“ ergänzte er nach Luft schnappend „kann ich dir ein kleines Feuer machen“. Montag nickte und lächelte vorsichtig. Ein Feuer und eine Decke klangen fürs Erste doch ganz gut. [Fortsetzung folgt]

Ein Junge namens Montag

Sechs Uhr vierundzwanzig zeigte die Uhr am Handgelenk an, als der kleine Junge seinen Koffer hochhob – er ächzte leicht unter dem schweren Gewicht – und vorsichtig die Türe aufschob. Es knarzte leicht, jedoch nicht so laut, um die Schlafenden zu wecken. Gerade breit genug war die Türe, sodass er hindurchschlüpfen konnte und sie hinter sich zu fallen ließ. Vielleicht etwas zu laut? Mit schnellen Tippelschritten entfernte er sich über die vom Reif noch feuchte Wiese vom Haus und spazierte in einen lauwarmwerdenden Herbsttag hinein. Die meisten Bäume hatten ihre goldgelbrotbraunen Blätter gleichmäßig auf den Wegen  verteilt und der kleine Junge hatte das wundersame Gefühl in ihnen zu versinken und seine ersichtliche Freude daran. Hier und da flogen Blätter in die Luft und ein Kichern hallte hinterher, als der kleine Junge ein Mädchen am anderen Ende des Laubhaufens sah. Er hielt inne und musterte die braunen zu zwei Zöpfen geflochtenen Haare. Dann machte er einen kleinen, zittrigen Schritt nach vorne und sprach leise: „Hallo. Ich bin Montag“. Dabei streckte er seine kleine Hand aus – so wie er es bei Papa und Mama gesehen hatte, wenn sie neue Leute kennenlernten. Das kleine Mädchen im rostrotbraun und weiß kariertem Kleid griff nach seiner Hand und lächelte. „Hallo Montag. Möchtest du mit mir spielen?“. „Oh ja sehr gerne!“ sprach er wie ein echter großer Gentleman. Das kleine Mädchen zog Montag aus dem Laubhaufen und spazierte, ihn immer noch an der Hand haltend, drauf los. Er hatte echte Probleme ihren schnellen Schritten zu folgen, denn schließlich hatte er noch seinen Koffer, jedoch kamen sie schnell auf eine kleine Waldlichtung. Die Herbstsonne strahlte aus diversen Ecken herein und er sah es sofort: Es war ein Paradies aus Laub. Schnell stellte er seinen Koffer in eine Ecke zweier großer Bäume und sie stürzten sich ins fantasievolle Abenteuer. [Fortsetzung folgt]

Was soll man schon sein?

Das Plakat leuchtet kalt und weiß an diesem Abend. Von einschlagenden Regentropfen ständig unterbrochen spiegelt sich in den vielen kleinen Pfützen auf dem holprigen Gehweg der Schriftzug: Du bist, was du isst. Sie schüttelt den Kopf und zieht die Kapuze tiefer ins Gesicht. Was soll man schon sein? Bin ich davon abhängig was durch meinen Magen wandert? Wie schnell verändere ich mich denn dann? Sie denkt noch etwas über ihre Ernährungsweise nach und biegt links ab. Der Regen hört auf zu prasseln als sie die Unterführung erreicht. Es riecht feucht und kalt. Etwas weiter hinten rechts sitzt ein Obdachloser im Schlafsack und in Alkohol und Drogen versunken. Neben ihm ein kleines Schild aus Pappe: Ich bin obdachlos, bitte hilf mir. Sie schüttelt den Kopf und zieht die Kapuze herunter. Was soll man schon sein? Bin ich davon abhängig wie die Dinge um mich herum sind? Berechtigt eine Situation mich und mein Leben so anzupassen? Hinten rechts geht es über drei kleine Treppenstufen wieder hoch. Sie schaut auf die Kirchturmuhr und stellt fest, dass sie sich jetzt beeilen muss. Geschwind huscht sie unter den Markisen der geschlossenen Läden vorbei, um nicht nass zu werden. Der Blick folgt den verdunkelten Schaufenstern und bleibt bei einem kleinen Laden für Selbstheilkunde stehen: Sei ganz du selbst. Was soll man schon sein? Bin ich davon abhängig was ich von mir selbst denke? Wie schlecht dran bin ich denn dann bitte? Die Zeit rennt jedoch und sie mit, als sie den Schlüssel herauskramt, die Wohnung betritt und sich mit einem Seufzen in den Sessel fallen lässt. Ihr Blick fällt auf einen kleinen Notizzettel auf dem Beistelltisch. Jemand muss ihn ihr hingelegt haben: Ich liebe dich. Was soll man schon sein? Ist es denn nicht eigentlich egal, wenn man geliebt wird und das unabhängig von dem was man ist? Ist man nicht nur von der Liebe des Gegenübers abhängig?

Tanzende Elefanten

„Hast du schon einmal einen Elefanten tanzen gesehen?“ fragte Elisabeth ihren Vater. Dieser schwieg, aber sein Kopfschütteln deutete darauf hin, dass er zugehört hatte. „Können denn Elefanten überhaupt tanzen? Sie sind so groß und stampfen so viel.“ Ein Schulterzucken als Antwort. Doch unbeirrt sprach das kleine Mädchen weiter: „Ein Elefant ist ziemlich schwer oder Papa?“. Er lächelte und nickte. Sein Blick schweifte über den sandigen Boden und die Felsbrocken, welche so wahllos in das Gehege gelegt worden waren. Elefanten waren wahrlich schwere Tiere. Bei ihrer Geburt sind sie vielleicht noch etwas ungelenk auf ihren Beinen, aber groß und schwer sind sie auch dann schon. Und tanzen? Tanzen werden sie wohl nicht. Ob sie eifersüchtig sind auf all die Tiere die so viel beweglicher sind? Der Bär zum Beispiel, der kann tanzen. Oder ein Känguru kann riesige Freudensprünge machen. „Ich glaube Elefanten können nicht tanzen“ unterbrach Elisabeth die Gedanken ihres Vaters. Nachdenklich, beinahe in Gedanken versunken, nickte er. Tanzen werden sie wohl nie. „Aber weißt du was? Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn sie nicht tanzen können. Sie haben dafür ganz viele andere Dinge, die sie viel besser können als alle anderen. Sie haben immer einen Gartenschlauch dabei und ein riesen Gedächtnis!“. Ein Schauen und Nicken. „Weißt du was? Deshalb ist es auch nicht schlimm, dass du nicht sprechen kannst. Du kannst viele andere Dinge so toll. Und wir verstehen uns ja trotzdem“. Er lächelte und drückte seine Tochter. Dann machten sie kehrt und gingen zurück zur Löwenfamilie.