Was soll man schon sein?
Das Plakat leuchtet kalt und weiß an diesem Abend. Von einschlagenden Regentropfen ständig unterbrochen spiegelt sich in den vielen kleinen Pfützen auf dem holprigen Gehweg der Schriftzug: Du bist, was du isst. Sie schüttelt den Kopf und zieht die Kapuze tiefer ins Gesicht. Was soll man schon sein? Bin ich davon abhängig was durch meinen Magen wandert? Wie schnell verändere ich mich denn dann? Sie denkt noch etwas über ihre Ernährungsweise nach und biegt links ab. Der Regen hört auf zu prasseln als sie die Unterführung erreicht. Es riecht feucht und kalt. Etwas weiter hinten rechts sitzt ein Obdachloser im Schlafsack und in Alkohol und Drogen versunken. Neben ihm ein kleines Schild aus Pappe: Ich bin obdachlos, bitte hilf mir. Sie schüttelt den Kopf und zieht die Kapuze herunter. Was soll man schon sein? Bin ich davon abhängig wie die Dinge um mich herum sind? Berechtigt eine Situation mich und mein Leben so anzupassen? Hinten rechts geht es über drei kleine Treppenstufen wieder hoch. Sie schaut auf die Kirchturmuhr und stellt fest, dass sie sich jetzt beeilen muss. Geschwind huscht sie unter den Markisen der geschlossenen Läden vorbei, um nicht nass zu werden. Der Blick folgt den verdunkelten Schaufenstern und bleibt bei einem kleinen Laden für Selbstheilkunde stehen: Sei ganz du selbst. Was soll man schon sein? Bin ich davon abhängig was ich von mir selbst denke? Wie schlecht dran bin ich denn dann bitte? Die Zeit rennt jedoch und sie mit, als sie den Schlüssel herauskramt, die Wohnung betritt und sich mit einem Seufzen in den Sessel fallen lässt. Ihr Blick fällt auf einen kleinen Notizzettel auf dem Beistelltisch. Jemand muss ihn ihr hingelegt haben: Ich liebe dich. Was soll man schon sein? Ist es denn nicht eigentlich egal, wenn man geliebt wird und das unabhängig von dem was man ist? Ist man nicht nur von der Liebe des Gegenübers abhängig?